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Once
again ―Übertragung. Once again
―Übertragung, als komplexester und
umstrittenster der psychoanalytischen Grundbegriffe. Once again
― Wiederholung. Once again...
Ist Übertragung Wiederholung? Aber
was ist Wiederholung? Ist das letzte „Once again“ eine Wiederholung
des ersten? Kann man, in Anlehnung an Frege, diese vier „Once again“
als Repetition des viermal Gleichen 1+1+1+1 schreiben? Oder muss man
1+1’+1’’+1’’’ schreiben, um die Differenz
zwischen den einzelnen Ereignissen zu unterstreichen? Oder gar
1’+1’’+1’’’+1’’’’,
um zu markieren, dass schon das erste Mal eine Wiederholung ist? Heraklit sagte,
dass wir niemals zweimal in den gleichen Fluss steigen; ein identischer Ablauf
eines in der Zeit versetzten Geschehens ist nicht möglich, und wäre es
auch nur durch den Ablauf der Zeit verwandelt. Der für die Psychoanalyse
relevante Unterschied zwischen zwei Geschehen ist aber ein anderer. Zum einen
hat sich das erlebende Subjekt verändert, zum anderen markiert dessen
Wunsch, eine Erfahrung zu wiederholen, diese mit dem Zeichen des Vergangenen,
des Verlorenen. Wie die Übertragung nicht die Wiederholung einer
ursprünglichen Erfahrung ist, da diese selbst schon in ihrer scheinbaren
„Erstmaligkeit“, die keine ist, schon immer Wiederholung, schon
immer Übertragung darstellt, so ist auch die Wiederholung nicht die
Reproduktion von etwas Erstmaligem. Die Wiederholung ruft nachgerade den Verlust
des gesuchten Zuwiederholenden hervor; indem sie aus der ersten Situation eine
wiederholte oder zu wiederholende macht, verliert diese für immer ihre
Ursprünglichkeit. Illustrieren möge dies folgende
Episode:
Ein Analysant erzählt,
dass er in seiner Hochzeitsnacht ein erstes Mal mit seiner Frau schlief.
Während des ersten Koitus kam ihm plötzlich der Einfall, seiner Frau
ein zusätzliches Hochzeitsgeschenk in Form von so vielen Akten, wie sie
Jahre zählte, zu machen. Dieser Gedanke markierte den ersten Beischlaf mit
dem Zeichen des Wiederholbaren und damit des schon in seiner Erstmaligkeit
Verlorenen. Somit sind Wiederholung, aber auch „das erste Mal“ immer
schon Umänderungen, Umwandlungen. Dieses unvermeidliche Faktum markiert
auch die Übertragung mit dem Zeichen der Differenz, und damit des
Verlorenen.
Wie in einer
Wiederholung immer ein Verlorenes „zugegen“ ist,
so eröffnet gerade die Unmöglichkeit einer reinen Reproduktion, die
Differenz also, die Möglichkeit zur Einführung von etwas Neuem, von
etwas noch nicht Dagewesenen. Insofern ist die Übertragung, gerade auch in
ihrem Wiederholungsaspekt, etwas Neues, das, bei aller Determiniertheit durch
Vergangenes, bei allem Streben, Geschehenes wieder-zuholen, die Entstehung von
Unbekanntem ermöglicht. Die reine Determination ist nur retroaktiv, nach
hinten gerichtet; in der Zukunft liegt auf Grund der Begegnung mit dem
Analytiker, und der sich daraus ergebenden Dynamik etwas Undeterminiertes,
Unfestgelegtes. Während sie sich in der aktuellen Kur abspielt, schaut die
Übertragung wie Janus bifrons in die Vergangenheit und in die Zukunft.
Lacan hat, um das
Missverständliche der „Wiederholung“ im Kontext der
Übertragung zu vermeiden, vorgeschlagen, das aus der Vergangenheit
auftauchende, die Übertragung mitdeterminierende Element als
„Insistieren“ zu bezeichnen. Was mit Insistieren gemeint ist, sollen
ein Traum und seine Bearbeitung, wie sie Freud in den Vorlesungen zur
Einführung in die Psychoanalyse beschreibt, sowie eine kurze
Episode aus einer Analyse illustrieren.
„ Also eine junge, aber
schon seit vielen Jahren verheiratete Dame träumt: Sie sitzt mit ihrem
Manne im Theater, eine Seite des Parketts ist ganz unbesetzt. Ihr Mann
erzählt ihr, Elise L. und ihr Bräutigam hätten auch gehen wollen,
hätten aber nur schlechte Sitze bekommen, je für l fl. 50 kr., und die
konnten sie. ja nicht nehmen. Sie meint, es wäre auch kein Unglück
gewesen.
...Woher das Detail, dass
eine Seite des Parketts unbesetzt ist? Es ist eine Anspielung auf eine reale
Begebenheit der vorigen Woche. Sie hatte sich vorgenommen, in eine gewisse
Theatervorstellung zu gehen, und darum frühzeitig Karten genommen, so
früh, dass sie Vorverkaufsgebühr zahlen musste. Als sie ins Theater
kamen, zeigte es sich, wie überflüssig ihre Sorge gewesen war, denn
eine Seite des Parketts war fast leer. Es wäre Zeit gewesen, wenn sie die
Karten am Tage der Vorstellung selbst gekauft hätte. Ihr Mann unterliess
es auch nicht, sie wegen dieser Voreiligkeit zu necken...
Sie hat uns aber doch soviel
Material in ihren wenigen Einfällen zugetragen, dass daraus das Erraten der
latenten Traumgedanken möglich wird. Es muss uns auffallen, dass in ihren
Mitteilungen zum Traum an mehreren Stellen Zeitbestimmungen hervortreten, die
eine Gemeinsamkeit zwischen verschiedenen Partien des Materials begründen.
Sie hat die Eintrittskarten ins Theater zu früh besorgt, voreilig genommen,
so dass sie sie überzahlen
musste...
„ Es war doch ein
Unsinn von mir, mich mit der Heirat so zu beeilen! An dem Beispiel
der Elise sehe ich, dass ich auch noch später einen Mann bekommen hätte." ...
(GW XI S.120-25)
Freud zeigt
hier, wie in den Assoziationen zum Traum die Signifikanten „zu
früh“, „voreilig“ insistieren.
Ein Analysant spricht
von seinem ersten Beischlaf als von einer Entjungferung. Dem Analytiker
fällt diese eigentümliche Bezeichnung zunächst nicht auf,
jedenfalls punktiert, unterstreicht er den Signifikanten nicht. Etwas
später in der Stunde spricht der Analysant vom gleichen Vorgang als von
einer Defloration: Er insistiert darauf und nun hört es auch der
Analytiker.
Was ist aber mit
Insistieren, mit Wiederholung in der Übertragung gemeint? Was insistiert
oder was wird wiederholt? Vor wem spielt sich dieses Wiederholen und dieses
Insistieren ab? Die vorhergehenden Bemerkungen zur Wiederholung hoben die
Bedeutung von dem Verlorengegangenen hervor. So wundert es nicht, wenn für
Lacan nicht das Unbewusste Objekt der Analyse ist, und er in Télévision feststellt, „dass der analytische Diskurs
nicht auf der Ek-sistenz des Unbewussten begründet ist, sondern das
Unbewusste einem Diskurs ek-sistiert“ (Lacan 1974, S. 15), der sich auf
die Aussage, es gibt kein sexuelles Verhältnis, (= es gibt keine
Komplementarität zwischen den sexuellen Partnern; der eine besitzt nicht
das, was dem anderen fehlt) bezieht, also essentiell auf einen
unauffüllbaren Mangel, den das Objekt a markiert. [1]
Dieses
Objekt a ist eigentlicher Gegenstand der Analyse. Um aber ― asymptotisch
― zu ihm zu gelangen, um es wieder-zuholen, ist der andere/Andere des
Analytikers nötig; nur im Umweg
über ihn lässt sich der Mangel in seiner Wirkung erkennen und
realisieren. Diesen Weg, oder vielmehr diese Umwege werde ich in der
vorliegenden Arbeit nachzuzeichnen versuchen.
„ Das analytische Symptom
benötigt die Ergänzung, die der Analytiker dem Leiden, über
welches das Subjekt sich beklagt, hinzufügt. Denjenigen der zuhört,
als Subjekt dem Wissen unterstellt wird einzusetzen, verändert die
symptomatische Befriedigung: der „autistische“ Charakter des
Genusses gelangt in den Kreis des Anspruches hinein, das heißt, er beginnt
auf eine neue Art im Feld des Anderen zu
existieren..
Diese
Verschlüsselung, ihre Umwandlung in eine Botschaft, die vom Anderen
herkommt und sich seiner bedient, fügt der Befriedigung des Symptoms ein
Mehrgeniessen hinzu, das Subjekt lernt dadurch ein neues Geniessen kennen,
dasjenige, das einfach darin besteht zu sprechen.“ (Chorne, S.
185)
Man kann also sagen, dass die Übertragung ein Umweg des Subjektes über den anderen/Anderen zu sich
selbst ist. Diese Auffassung verweist auf die Hegelsche Denkfigur, gemäss
der das Bewusstsein über den Andern zum Selbstbewusstsein gelangt. Dieser
Weg führt über die Anerkennung, die nach Hegel der „Trieb, sich als freies Selbst zu zeigen und für den andern als
solches dazu sein“ ist. (Encyklopädie § 430) Damit aber wird die
Übertragung zum Instrument und die Analyse zum Ort, an dem um Anerkennung
gerungen wird.
In Lacans Überlegungen zur Übertragung stehen die Funktionen des Analytikers als
Subjekt dem Wissen unterstellt wird, als großer Anderer und als Objekt a,
d.h. als Ursache des Begehrens, in anderen Worten seine Partizipation an den
drei Registern des Imaginären, des Symbolischen und des Realen, im
Vordergrund. Implizit spielt aber besonders in den zwei ersten Konfigurationen
das Ringen um Anerkennung eine entscheidende Rolle. Trotz der häufigen
Bezüge Lacans auf Hegel oder besser auf den Kojèveschen Hegel hat er
den meines Erachtens so zentralen Aspekt des Ringens um Anerkennung in der
Übertragung wenig mit diesem wesentlichen Konzept Hegels, das er in anderem
Zusammenhang ausreichend gewürdigt hat, in Zusammenhang gebracht und
heuristisch fruchtbar gemacht. Allerdings hält er in der Romrede
fest:„ Rund heraus gesagt:, es erscheint nirgendwo deutlicher, dass das
Begehren des Menschen seinen Sinn im Begehren des anderen findet. Und das nicht
so sehr, weil der andere den Schlüssel zum begehrten Objekt besitzt,
sondern vielmehr weil sein erstes Objekt darin besteht, vom anderen anerkannt zu
werden. Welcher Analytiker weiss nicht aus Erfahrung, dass, sobald in der
Analyse die Übertragung beginnt - und eben dies ist für uns der
Beweis, dass sie es wirklich tut - jeder Traum des Patienten in seinem
Verhältnis zum analytischen Diskurs als Provokation, als verdecktes
Geständnis oder als Ablenkungsmanöver interpretiert werden muss und
dass die Träume sich mit dem Fortschritt der Analyse immer mehr auf die
Funktion von Elementen des sich daraus entwickelnden Dialogs reduzieren
lassen?“ (Écrits, S. 268)
Die drei Stadien der Übertragung.
Die folgenden
Ausführungen sollen in einem ersten Teil versuchen, den Platz des Ringens
um Anerkennung in der Übertragung zu untersuchen, um dann in der Folge das
Jenseits dieses Ringens in der Prägung der Übertragung durch die
Anerkennung des Objektes a näher zu
bestimmen.
1. In der imaginären
Konstellation, in welcher der Analytiker als anderer, als imaginäres
Subjekt dem Wissen unterstellt wird,
fungiert,
steht das Ringen um Anerkennung des
Ichs im Vordergrund. Dort finden wir das wieder, was Hegel mit dem Kampf
um Anerkennung, von der die Herr/Knecht Thematik eine Form ist, meint.
2. Auf der symbolischen Ebene, auf
welcher der Analytiker als Anderer instituiert wird, will der Analysant als
sprechendes Subjekt anerkannt werden. „Wenn Freud in der Psychopathologie
der Psychoanalyse für ein neurotisches Symptom das Minimum an
Überdeterminiertheit fordert, das ein Doppelsinn dergestalt konstituiert,
dass das Symptom zugleich Symbol eines abgestorbenen Konflikts ist und
darüber hinaus eine Funktion in einem gegenwärtigen, nicht minder
symbolischen Konflikt besitzt, wenn er uns ferner lehrt, im Text der
freien Assoziationen der wachsenden Verästelung einer Linie von Symbolen zu
folgen, um an den Punkten, an denen die sprachlichen Formen sich
überschneiden, die Knoten ihrer Struktur zu ermitteln -, dann ist bereits
vollkommen einleuchtend, dass das Symptom sich ganz in einer Sprachanalyse
auflöst, weil es selbst wie eine Sprache strukturiert ist, und dass es eine
Sprache ist, deren Sprechen befreit werden muss.“ (Écrits,
S.269)
3. Auf der realen Ebene, in
welcher der Analytiker als Objekt a, als Ursache des Begehrens, ins Spiel
kommt, kehrt sich das Thema der Anerkennung um, es wird transzendiert: Der
Analysant „muss“ das Objekt und seine Abhängigkeit
von ihm anerkennen.
Die Bewegung in der Analyse geht
also über die Aufhebung des Kampfes um Anerkennung als Ich durch den
kleinen anderen, über den Wunsch nach Anerkennung als sprechendes Subjekt
durch den grossen Anderen hin zur Anerkennung der Abhängigkeit von dem
Objekt klein a. Dies bedeutet, dass der Analytiker in der Übertragung
an den drei Registern teilnimmt; dies von Anfang an und eigentlich bis zum
Schluss, allerdings mit einem jeweils anderen Anteil, mit einer stets
wechselnden Gewichtung.
Imaginäre
Ebene.
Der Analysant, der sich,
darin dem ärztlichen Patienten gleich, an einen vermeintlichen Experten
adressiert, tut dies dem Anschein nach zumindest, weil er diesem ein Wissen
unterstellt, das er selber nicht zu haben glaubt. Lacan vertritt die Auffassung,
dass dieses unterstellte Wissen letztlich der Grund für die
Übertragungsliebe ist, und dass der Analytiker zumindest in einer ersten
Phase schwindeln muss (imposteur), indem er die Zuschreibung annimmt, also so
tut, als sei er im Besitz eines Wissens über den Hilfesuchenden. Dessen
Bereitwilligkeit zu glauben, was er erwartet, ist aber derart gross, dass dieser
„Schwindel“ meist nicht erforderlich ist; eine mehr oder weniger
gelungene Probedeutung führt oder ver-führt den Analysanten dazu,
seine Annahme, einem Wissenden gegenüber zu sitzen, bestätigt zu
sehen. Aber vor soviel Bereitschaft muss der Analytiker skeptisch bleiben und
auf der Hut sein, um nicht seinerseits zum Verführten zu werden, denn so
sehr der zukünftige Analysant ihm Wissen unterstellt und dieses auf Grund
seines Leidens herbeisehnt, so sehr rechnet er in seinem neurotischen Geniessen
damit, ungeschoren davon zu kommen: die mehr oder weniger zutreffende vom
Analysanten gierig aufgesogenen Probedeutung kann geradezu auch zum Beweis
für das Nichtwissen des Deutenden werden. In dieser Interaktion zwischen
zwei Getäuschten liegt übrigens eine der Wurzeln des narzisstischen
Anteils der Übertragungsliebe, in der das Subjekt das Objekt deshalb liebt,
weil dieses so ist wie es selbst, d.h. genauso unwissend. Aber es ist wohl
weniger das Wissen oder das Nichtwissen, das die Übertragungsliebe
entstehen lässt, sondern ein anderer Wunsch, der sich auf den Analytiker
richtet und der von Wissen/Unwissen wenig berührt wird, der Wunsch nach
Anerkennung.
Der imaginäre
Anspruch darauf richtet sich also besonders an das Subjekt, dem Wissen
unterstellt wird, das Ringen um Anerkennung richtet sich hier an den kleinen
anderen, der sich durch spiegelbildliche oder projizierte idealisierte Züge
(z.B. mit Wissen ausgestattet, das der Analysant nicht besitzt) charakterisiert:
er ist nur einer, wenn auch ein etwas spezieller unter den anderen Bekannten
des Analysanten.
Wie schon der Begriff „imaginär“ erkennen lässt, geht es hier um Anerkennung der
Bilder, die auf Identifizierungen beruhen, mit denen das Subjekt sich in seinem
Ich unter der Ägide des Idealichs entfremdet. Hier bedeutet anerkannt
werden verstanden werden; verstanden werden in seiner Singularität, seiner
Einzigartigkeit, d.h in seinen narzisstischen Bildungen. Hier bedeutet anerkannt
werden wahrgenommen, begriffen werden in den festgeschriebenen, statischen
Standbildern, in denen das Ich seine sich selbst täuschende Identität
konstituiert. Sei es als unerwünschtes Kind, als missverstandenes Kind. als
missbrauchtes Mädchen oder als geschlagener Knabe; sei es als
Märchenprinz der Mutter oder als geliebte Tochter, die dem Vater das gibt,
was die Frau/Mutter ihm vorenthält.
Indem er sich selbst in all den
Formen oder Verformungen seiner Identifizierungen anbietet, versucht der
Analysant zu besiegen, zu idealisieren, zu entwerten, zu erniedrigen, zu
interessieren oder zu langweilen. Dies immer in der Absicht den anderen dazu
zu verführen, ihn anzuerkennen.
Ein
Analysant erzählt einen Traum, in dem eine Prostituierte dazu verurteilt
wird, auf einer Baustelle mit einer grossen Anzahl von Männern Verkehr
haben zu müssen. Vor dem Bretterverhau, hinter dem sie liegt, steht ihr
Zuhälter und kassiert Geld von den Schlange stehenden Männern. In
seinen Assoziationen sieht er sich zunächst in der Rolle eines dieser
Männer, später in der Rolle des Zuhälters und erst nach mehreren
Interventionen des Analytikers kann er unter grosser Scham von seiner
Identifizierung mit der Dirne sprechen.
Diese drei Gestalten, diese drei
Personen, unter denen der Träumer in seinem Traum erscheint, stellen
Versuche dar, vom anderen anerkannt zu werden. Er bietet sich wie ein anderer
(comme un autre) für einen anderen (pour un autre) an.
Meist wird nur dieser erste Aspekt
der Übertragung gesehen: das Bemühen um Anerkennung als Ziel des
Anspruchs (demande). Gerade diesen Anspruch soll aber in der Kur nicht
befriedigten werden, es geht darum, ihn zu überstiegen, um zum Begehren
(désir) zu gelangen.
Der
Analytiker kann aber diese Bewegung auch blockieren, durch seinen eigenen
Wunsch nach imaginärer Anerkennung als Wissender, durch Deutungen, die auf der
imaginären Ebene bleiben, durch Interventionen, die ihn als Person
einbringen (auch in negierter Form:„ Ich bin doch nicht ihr Vater!“)
oder durch Handlungen-Fehlhandlungen, aus denen heraus dann gelegentlich der
Analysant den Weg weist. Dafür möge folgendes Beispiel stehen:
Der Analytiker ist in der
Gemeinschaftspraxis während der Kaffeepause in ein Gespräch mit den
Kollegen vertieft und verspätet sich um ein paar Minuten. Er stürzt
ins Wartezimmer und voller Schuldgefühl murmelt er, dass er so in ein
Gespräch vertieft war, dass er nicht auf die Zeit achtete. Die Analysantin
beginnt die Stunde entgegen ihrer Gewohnheit mit einem langen Schweigen. Dann
steht sie wortlos auf und verlässt mit wütender Miene den Raum. Auf
einer imaginären Ebene liesse sich diese Reaktion als Wut aus der
Enttäuschung heraus verstehen und ansprechen. Die Analysantin aber
klärt (den Analytiker) in der nachfolgenden Stunde auf, indem sie sagt:
„Ich hätte diese Entschuldigung von jedem erwartet oder gar verlangt,
aber nicht von Ihnen. Sie sind mein
Analytiker.“
Der Kampf um
Anerkennung zeichnet sich in dieser imaginären Beziehung besonders durch
Rivalität (Wer liebt mehr? Wer verlässt wen? Wer ist mehr auf den
anderen angewiesen?) oder durch Idealisierung (Subjekt, dem Wissen unterstellt
wird) gekennzeichnet. Auf dieser Ebene findet das statt, was Hegel mit der
Auseinandersetzung zwischen Herr und Knecht bezeichnet hat. Seine
Ausführungen zum Kampf um Anerkennung lassen sich schematisch dargestellt
folgendermassen beschreiben:
„ Das Praktische kommt hier
dadurch ins Spiel, dass die Erkenntnis des anderen Selbstbewusstseins als
seinesgleichen das selbstbewusste Bewusstsein mit dem Problem der Anerkennung
des anderen als Selbstbewusstsein konfrontiert, und die ist per definitionem
ausgeschlossen. Das Bewusstsein, das in der Dialektik der theoretischen
Erfahrung sich selbst als die vollständige Einheit seiner selbst mit der
Gegenständlichkeit erfasst hat, kann kein anderes Bewusstsein anerkennen,
das dasselbe zu sein beansprucht, was es selbst zu sein behauptet... In Hegels
praktischer Philosophie bleibt das Anerkennungsthema, ...immer erhalten, in
der Phänomenologie des Geistes aber wird es als ein dynamisches
wirklich durchgeführt. ...Das Resultat ist die Differenz zwischen dem Herrn und dem
Knecht, d.h. zwischen dem Selbstbewusstsein, das sich behauptet hat, und dem,
das sich unterwirft, um am Leben zu bleiben, freilich um den Preis der
Unselbständigkeit. Daraus ergibt sich nach Hegel die berühmte und
unzählig oft referierte und kommentierte Dialektik von Herrschaft und
Knechtschaft, die dadurch in Gang kommt, dass der Herr den Knecht zur Arbeit
zwingt, und das bedeutet: Er gibt ihm seine Unselbständigkeit dadurch zu
fühlen, dass er ihn mit der Selbständigkeit und Widerständigkeit
der Dinge der Aussenwelt zusammenschliesst; genau dadurch aber macht der Herr
sich vom Knecht abhängig, weil er ja auch, um leben zu können, der
Dinge bedarf, die ihm der Knecht durch seine Arbeit bereitstellt. So macht sich
der Herr im Effekt zum Knecht des Knechtes, und er eröffnet ihm zudem die
Chance einer höheren Erfahrung der Freiheit des Selbstbewusstseins, die dem
Herrn verschlossen bleiben muss - die Erfahrung der Unselbständigkeit der
Aussenweltdinge durch die Arbeit, die deren Selbständigkeit wegarbeitet und
überwindet Das Ergebnis dieser Erfahrung ist nach Hegel die Freiheit im
Denken und ihre Dialektik, wie sie historisch im Stoizismus, dem Skeptizismus
und dem »unglücklichen Bewusstsein« in sich zerrissener
Subjektivität vieler Ausprägungen aufgetreten
sei.“
(Schnädelbach, S.
64-65)
Zwei
Subjekte ringen um Anerkennung, denn von
diesem Ringen ist der Analytiker ja keineswegs ausgenommen, er muss, um als
Analytiker „existent“ sein und bleiben zu können, vom
Analysanten anerkannt werden. Dessen Anerkennung macht ihn erst zum Analytiker.
Aber die Einsetzung des Analytikers zum Subjekt dem Wissen unterstellt wird,
bildet eine Über-tragung von gewünschten oder vermissten Eigenschaften
des Analysanten, die bearbeiten werden muss, um Platz zu schaffen für das
Subjekt des Wissens und der Wahrheit, für das Unbewusste nämlich,
denn in ihm, und nur in ihm fallen Wissen und Wahrheit zusammen, entziehen
sich aber
gleichzeitig dem Zugriff.
Nur die halbe Wahrheit (la
mi-vérité) ist sagbar. Voraussetzung für diesen macht ihn
erst zum Analytiker. In seinem Schritt in die Kur hinein über-trägt
der Analysant nun dieses ungewusste Wissen auf den Analytiker. Er versieht (sich
ver-sehen) diesen mit einem Wissen, das dieser nicht haben kann. Das ist der
Punkt, an dem sich Wissen und Wahrheit spalten, das ist der Ort einer
Unmöglichkeit, über die sich die Übertragung als
Restitutionsversuch legt. Aber die Einsetzung des Analytikers zum Subjekt dem
Wissen unterstellt wird, bildet eine Über-tragung von gewünschten oder
vermissten Eigenschaften des Analysanten, die erkannt und
„ab-gearbeitet“ werden muss, um Platz zu schaffen für das
Subjekt des Wissens und der Wahrheit, für das Unbewusste nämlich, denn
in ihm, und nur in ihm fallen Wissen und Wahrheit zusammen, entziehen sich aber
gleichzeitig Übergang ist auf Seiten des Analytikers sein Wissen um seine
Sterblichkeit (nach Lacan das einzige Wissen, das der Analytiker
mitbringen muss).„Was muss der Analytiker in der Analyse wissen? fragt
Lacan und antwortet: Er weiss nicht mehr als die anderen, ausser dass er ein
Wesen ist, das dem Tode geweiht ist.“ (Écrits, S. 349. Dieses
Wissen aber ist nicht ein abstraktes, sondern ein in der Kur, in jeder Kur
aktualisiertes. Er muss wissen, dass er als Subjekt dem Wissen unterstellt wird
sterben muss, ja schon gestorben ist, dass er als Anderer sterben wird, dass er
als Objekt a fallen gelassen wird, dass er für jeden einzelnen Analysanten
unbrauchbar und überflüssig werden wird. Insofern ist er in der
Hegelschen Position des Herrn, der seinen Tod in jeder Kur wagt und auf sich
nimmt. Die Analyse wird so auch für den Analytiker zu einer Folge von
Toden.
Der Wunsch nach Anerkennung,
die auf der imaginären Ebene immer auch Verkennung darstellt, ist aber
nicht nur ein zu beseitigender, sondern ein notwendiger Vorgang, der aufgehoben
werden muss, weil er auf dem Wege der Subjektfindung ein unumgänglicher
Schritt ist, der über den Umweg des Erkennens, dass das Ich durch eine
anderen, für einen anderen und als ein anderes gebildet ist, zur
Anerkennung auf einer symbolischen Ebene als sprechendes Subjekt führen
kann. Man
denke nur an die später von Lacan hinzugefügte Ergänzung des
Spiegelstadiums, in welchem die imaginäre Dimension zur Voraussetzung der
symbolischen Dimension der Anerkennung wird, welche das anwesende
Primärobjekt durch eine Form von sprachlicher Äusserung
artikuliert.
„ Die Psychoanalyse
spricht nur von der einen Sache, der Verwandlung jeder subjektiven
Singularität in ein Gesetz, das so notwendig ist wie die Naturgesetze,
genauso kontingent und genauso absolut.“ (Milner, S. 153)
Symbolische
Ebene.
Diese Bewegung, in welcher
aus dem Analytiker als einem imaginären Gegenüber ein radikal Anderer
wird, ist wesentlich für die Aufrichtung und Bearbeitung der symbolischen
Ebene.
Eine Analysantin spricht das
erste Mal vom Ende der Analyse. Der Analytiker bleibt zunächst stumm. Sie
meint, er sei sicher gegen eine Beendigung zum jetzigen Zeitpunkt, er würde
wohl finden, sie sei noch nicht genügend analysiert. Aber sie würde
nicht länger ihm zu Liebe bleiben. Sie habe es jeweils so in ihren
Liebesbeziehungen gehandhabt und weder sich noch dem jeweiligen Partner , den
sie verliess, einen Gefallen getan. Der Analytiker sagt darauf hin: „Ihr
Analytiker fährt also fort Sie zu lieben?“, um damit den Unterschied
zwischen einer Beziehung und der Übertragung zu markieren. In der darauf
folgenden Stunde erzählt sie einen Traum, in dem ihre Analytikerin (die
Analysantin ist in Analyse bei einem Mann) sich von der Couch erhebt, sie an den
Brüsten und am Genitale bis zum Orgasmus streichelt. Sie erlebt dabei
angenehme Empfindungen. In einem zweiten Traumteil erzählt ihr die
Schwester der Analytikerin, dass diese einen Penis habe und sich vor einiger
Zeit eine Vagina in den Analkanal einbauen liess. Auf die Frage des Analytikers,
wo diese Vagina herkomme, antwortet sie ohne zu zögern:„ Aber das ist
natürlich meine.“.
Es
kann hier nicht den ganzen Verflechtungen des Traumes nachgegangen werden.
Es sei bloss der für diese Ausführungen relevante Zusammenhang
erwähnt. Mit der Intervention des Analytikers weist dieser auf seinen
unterschiedlichen Status hin, und die Analysantin bestätigt diese Position
des Analytikers als die des grossen Andern, indem sie ihn als unkastrierten
Anderen, als dem Gesetz der Geschlechterdifferenz enthobenen, träumt. Um
diesen grossen Anderen, der nicht einem Geschlecht zugeschrieben wird, in dieser
Position zu belassen, opfert sie ihm zu seiner Vervollständigung ihre
Vagina.
Der Übergang, oder
besser die Aufhebung zu dieser Form der Anerkennung ist das Ergebnis, das durch
die Frustration und die Auflösung der imaginären Ansprüche
erreicht wird. Sie erfolgen durch das Aufgreifen der Äusserungen des
Unbewussten, wie es sich in seinen Versprechern, seinen Fehlhandlungen
artikuliert; in ihnen manifestiert sich ja das Subjekt (des Unbewussten) in
bevorzugter Weise. Indem also das Ich, das imaginäre Anerkennung sucht,
frustriert wird, in seinen verfremdenden und verfremdeten Bildern nicht
anerkannt d.h. aber auch nicht verkannt wird (hier fallen Anerkennen und
Verkennen zusammen), wird im Analytiker der Andere gesehen, der seinerseits den
Andern des Subjektes anerkennt. Weil der Analytiker nicht Adressat der Rede des
Analysanten ist, geht es nicht nur um Anerkennung, sondern darum, die
Negativitätsarbeit des Analysanten zu unterstützen, ihm seine
Signifikanten zu restituieren. Das bedeutet aber auch, dass am Übergang von
der imaginären zu symbolischen Position ein notwendiges Nein steht.
Notwendig, weil die imaginäre Übertragung des Ichs und ihr
Empfänger, der ja nicht ihr Adressat ist, verneint werden müssen, um
zum Anliegen des Subjekts, d.h. seinem Begehren zu gelangen. Es ist leicht
erkennbar, dass der Analytiker in dieser Position zum Gesetzgeber, zum
Stellvertreter des Gesetzes wird, indem er die Grundregel mitteilt, indem er
Nein zu den Versuchen der Triebbefriedigung in der Kur sagt. Er wird zum grossen
Anderen, der radikal anders ist, der deutet, der durch Unterstreichungen und
Skandierungen den Hort der Signifikanten öffnet und dadurch dem Analysanten
das Subjektsein erschliesst.
Ein
Analysant reagiert auf eine Signifikantendeutung des Analytikers sehr unwirsch
und ungehalten, fühlt sich missverstanden, hat den Eindruck mit dieser
Deutung, die der analytischen Trickkiste entnommen sei, in seiner Eigenheit
nicht wahrgenommen worden zu sein. In der darauf folgenden Stunde erzählt
er, er habe mit einem befreundeten älteren Mann über die Analysestunde
gesprochen. Dieser habe auch die Deutung des Analytikers als fragwürdig
angesehen. Auf einer imaginären Ebene hätte das Hinzuziehen einer
second opinion als aggressive Geste aus der Enttäuschung heraus verstanden
und gedeutet werden können; auf einer symbolischen Ebene wurde die
Einführung eines Dritten oder (das musste zunächst offen bleiben)
eines verdoppelten Zweiten gedeutet. Damit konnte eine sexualisierte
Übertragung auf den Analytiker, die abgewehrt wurde, und die im
Signifikanten, den der Analytiker in seiner Deutung aufgegriffen hatte,
erkennbar werden. Er hatte sich durch Hinzuziehen eines Doppels davor zu
schützen versucht.
Indem durch
Deuten die imaginären Identifizierungen, die Ansprüche auf
imaginäre Anerkennung einer symbolischen Anerkennung als Subjekt der
Sprache, d.h. als Sprechender/Gesprochener Platz machen, kommt der Analysant
seinem Begehren näher. Die Anerkennung ist hier also eine wesentlich
andere: der Analysant muss als sprechendes Subjekt, nicht als entfremdet in
seinen Identifizierungen anerkannt werden. Auf dieser symbolischen Ebene spricht
er vor dem Analytiker, weniger zu ihm. Vergleichbar ist dieser
Vorgang demjenigen, in dem sich der Psychoanalytiker, der sich nur selber
autorisieren kann (ne s’autorise que de lui-même), dennoch seine
Arbeit, sein Tun vor anderen darlegt. Diese machen aus ihm nicht einen
Analytiker, aber sein Sich-Zeigen ist als Zeugnis vor Zeugen unabdingbar, um
nicht in ausschliesslich imaginären Fehlhaltungen und Bestätigungen zu
verharren, wie jener französische Analytiker (der hier ungenannt bleiben
soll), der vor einigen Jahren verstarb und auf dessen Todesanzeige im immerhin
angesehenen Monde zu lesen war: Psychoanalytiker von Salvador Dali!.
Reale
Ebene.
Die Position des
Analytikers als grosser Anderer ist aber nicht das „letzte Wort“ der
Übertragung. Die Restitution der Signifikanten an den Analysanten findet
keinen Abschluss, die analytische Arbeit ist eigentlich ohne Ende, unendlich. Je
näher der Analysant seinem Status als sprechendes Subjekt kommt, desto
näher kommt er seinem Begehren, und desto mehr wird er auf seine
Abhängigkeit vom Objekt klein a, zu dem der Analytiker geworden ist,
verwiesen. Wie in den beiden anderen Positionen ist es auch hier deutlich, dass
der Analytiker für etwas Anderes steht, dass er nie selbst gemeint ist,
dass er nicht Objekt des Begehrens, sondern Ursache des Begehrens ist. Objekt a
kann definiert werden als dasjenige, an welches das Subjekt gebunden ist,
welches seine Spaltung determiniert; sein bevorzugtes Objekt, das aus einer
primitiven Trennung hervorgeht, die durch die Nähe zum Realen induziert
wurde.
An diesem Punkt geht die
Lacansche Auffassung der Übertragung, die in den beiden bisher aufgezeigten
Positionen Gemeinsamkeiten mit einem hermeneutischen Ansatz hat, eindeutig und
unmissverständlich über diesen
hinaus.
Der hermeneutische Ansatz
berücksichtigt nur die Bereiche des Imaginären und des Symbolischen,
er kennt das Reale nicht, das sich entzieht, das sich nicht ins Symbolische
einreiht, auf das Brüche, Risse und Wiederholungen hinweisen und das sich
durch Trägheit und Klebrigkeit auszeichnet. Die Psychoanalyse betont den
uneinholbaren Mangel im Anderen, dessen Andersheit sich nicht in Sinn umsetzen
oder auf Sinn reduzieren lässt, wie es die Hermeneutik in ihrer
Überzeugung postuliert, die Andersheit würde sich in einem
fortlaufenden Prozess, der unendlich sein mag, doch letztendlich in Sinn
auflösen (mit allen Bedeutungen des Wortes).
Die Psychoanalyse, wie sie besonders
der späte Lacan verstand, insistiert auf das Gewicht des Objektes als
Ursache des Begehrens des Subjektes. Die Ursache des Begehrens als etwas reales
bleibt opak, aus der Sinndimension ausgeschlossen, auch wenn das Begehren wegen
seines Durchgangs durch die Sprache sprachlich artikuliert ist. Wegen dieses
Durchgangs und wegen der daraus folgenden notwendigen sprachlichen Artikulation
ist die Hermeneutik der Psychoanalyse nicht fremd, und hat auf der Ebene des
durch das Spiel der Signifikanten sich ergebenden Sinnes durchaus ihre
Daseinsberechtigung, aber der Sinn und seine Interpretation greifen
psychoanalytisch gedacht zu kurz. Worauf es ankommt ist das Jenseits des Sinnes,
dasjenige, das sich dem Sinn und seinem Zugriff entzieht, der Nicht-Sinn, der
durchaus Un-Sinn sein kann. Aber schon die Bezeichnung „Nicht-Sinn oder
Un-Sinn“ sind wieder Versuche dem Loch, das Lacan in seiner Tore
beschrieben hat, einen Sinn zu geben. Dabei verdeutlicht gerade diese topische
Figur die Grenzen der Hermeneutik und ihren Unterschied zum psychoanalytischen
Vorgehen.
Der Tore ist ein Gebilde nicht
unähnlich einem Schlauch, (wie man ihn in einem Autoreifen vorfindet) der
einen leeren Raum, ein Loch als Kreis umgibt. Der Anspruch dreht sich um
Objekte, die sich im zirkulären Loch (in der Luftkammer) befinden, und
verfehlt dabei ständig die ursächlichen Objekte des Begehrens, die
Objekte a, die ihrerseits Abkömmlinge des Dings sind, das sich im zentralen
Loch „befindet“. Für die Psychoanalyse ist das Loch das
Primäre, um das herum sich das Subjekt mit seinen Ansprüchen und
seinem Begehren konstituiert, ein Primäres oder ein Letztes, das aber
niemals den Bemühungen des Subjektes einen Sinn geben kann, während
die Hermeneutik wohl von einem Horizont, einer Grenze ausgeht, die aber gerade
das Zu-Interpretierende in einen Sinnzusammenhang
eintaucht.
Wie zeigt sich in der Kur
diese dritte Gestalt der Übertragung? Entgegen der Meinung von manchen
seiner Gegnern (man denke an die Ausfälle eines A. Greens) existieren
für Lacan nicht nur Worte. Die Diskurse baden im Unbewussten, können
es aber nicht erfassen. Hier kommen starke Affekte ins Spiel, der Analytiker
wird gehasst oder leidenschaftlich geliebt.
Eine Passage aus Freuds Rattenmann
illustriert das Gemeinte:
„ Es
kam bald dazu, dass er mich und die Meinigen in Träumen, Tagesphantasien
und Einfällen aufs gröblichste und unflätigste beschimpfte,
während er mir doch mit Absicht niemals etwas anderes als die grösste
Ehrerbietung entgegenbrachte. Sein Benehmen während der Mitteilung dieser
Beschimpfungen war das eines Verzweifelten. „Wie kommen Herr Professor
dazu, sich von einem schmierigen, hergelaufenen Kerl wie ich so beschimpfen zu
lassen? Sie müssen mich hinauswerfen; ich verdiene es nicht besser.“
Bei diesen Reden pflegte er vom Diwan aufzustehen und im Zimmer herumzulaufen,
was er zuerst mit Feinfühligkeit motivierte; er bringe es nicht über
sich, so grässliche Dinge zu sagen, während er behaglich daliege. Er
fand aber bald selbst die triftigere Erklärung, dass er sich meiner
Nähe entziehe, aus Angst von mir geprügelt zu werden. Wenn er sitzen
blieb, so benahm er sich wie einer, der sich in verzweifelter Angst vor
masslosen Züchtigungen schützen will; er stützte den Kopf in die
Hände, deckte sein Gesicht mit dem Arme, lief plötzlich mit
schmerzlich verzerrten Zügen davon usw. Er erinnerte, dass der Vater
jähzornig gewesen war und in seiner Heftigkeit manchmal nicht mehr wusste,
wieweit er gehen durfte. In solcher Schule des Leidens gewann er allmählich
die ihm mangelnde Überzeugung, die sich jedem andern nicht persönlich
Beteiligten wie selbstverständlich ergeben hätte; dann war aber auch
der Weg zur Auflösung der Rattenvorstellung frei.“ (GW VII S.
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Es kann gerade auf dieser Ebene
zu starken beunruhigenden Reaktionen (meist beruhen acting outs auf dieser
Basis) kommen. Der Analytiker wird zu einem leidenschaftlich geliebten, zu
einem paranoid verfolgenden oder zu einem intrusiven, unter der Haut steckendem
Objekt. Gelegentlich treten an dieser Stelle passagere perverse Symptome
auf. Sie sind ein Hinweis darauf, dass der Analysant sich durch Umkehrung
der
Phantasmaformel (S◊a wird zu a◊S) gegen die nicht mehr zu
übersehende Abhängigkeit vom Objekt a richtet
[2].
Die Arbeit an dieser schwierigen,
von Emotionen und Affekten geladenen Übertragung (travail de transfert),
in der immer wieder ein Anlauf genommen wird, den Analytiker aus der Position
des
Deutenden herauszustossen, ist besonders wichtig, erlaubt doch gerade sie
den Zugang und die Bearbeitung des Phantasmas.
Eine Analysantin berichtet, dass sie
während einigen Wochen nach den Stunden, in denen der Analytiker Deutungen
„gegeben“ hatte, erbrechen musste.
Ein zwanghaft strukturierter
Analysant beschimpft den Analytiker mit unflätigsten Worten und geniesst
voller Schuldgefühle die Situation ungemein.
Bei einem anderen Analysanten
fällt auf, dass er systematisch an den Interventionen des Analytikers
vorbei redet, bis nach einiger Zeit deutlich wird, dass er nicht auf den Inhalt
des Mitgeteilten hört, sondern der Stimme, dem Klang der Worte fasziniert
nachhängt.
Diese kurzen
Beispiele stehen für Positionen des Analytikers als Objekt a, jeweils
als Brust, Kot oder Stimme.
Das Ringen
um Anerkennung des Ichs in seinen verfremdeten Aspekten mit dem imaginären
anderen und als sprechendes Subjekt mit dem (symbolischen) Anderen ist also hier
verschoben hin zu einer Arbeit, in deren Zentrum die Anerkennung der
Abhängigkeit vom Objekt, das seinerseits nur ein Repräsentant des
Dinges ist, steht. Die Anerkennung dieses Dinges ist der zentrale Punkt der Kur
und bildet in seiner Unabschliessbarkeit, in seiner Fragilität, die eine
einmal erreichte Position immer wieder als vorläufige erweist, das,
was Freud als den festgewachsenen Felsen bezeichnet.
Zum Schluss sei noch einmal, um
Missverständnissen einen Riegel vorzuschieben, darauf hingewiesen, dass ich
in diesem Text immer wieder von Ebenen und nicht etwa von Phasen oder Etappen
gesprochen habe. In der Tat, die drei dargestellten Aspekte der Übertragung
sind von Anfang bis Ende des Analyse stets vorhandene Konfigurationen, deren
jeweiliger Anteil am Geschehen stark schwankt und im günstigsten Falle zu
einer Verschiebung weg von der dem Analytiker zugeschriebenen Position von
kleinem anderen hin zum grossen Anderen und Objekt a aufzeigt. Dass nicht selten
in den letzten Stunden einer einigermassen zufriedenstellenden Analyse der
Analysant nicht nur die Phantasie aufrecht erhalten hat, dass der Analytiker ihm
in der letzten Sitzung endlich die Wahrheit über ihn sagen würde,
sondern diesen Anspruch auch lautstark einfordert, ist wohl Beweis genug
dafür, dass imaginäre Ansprüche
― und wie
könnte
es anders sein ― nie ganz aufgegeben werden
können.
Bibliographie.
L.-M
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symptôme-charlatan. Seuil,
Paris.
S Freud. (1915): Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse.
GW XI.
S. Freud. (1907): Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose.
GW VII.
J. Lacan. (1966): Fonction et
champ de la parole. In Écrits. Seuil,
Paris.
J. Lacan. (1966): Variations de la cure-type.
Ibid.
J. Lacan. (1974): Télévision. Seuil,
Paris.
J.C. Milner. (1995): L'oeuvre claire. Seuil,
Paris.
H. Schnädelbach. (1999): Hegel. Eine Einführung. Junius.
Hamburg.